Das letzte Paradies
Balkan: Die letzten wilden Flüsse Europas
Wir befinden uns auf dem Balkan, um genau zu sein in Bosnien. Wir wollen ein paar Flüsse besuchen, uns ein Bild der Gegend machen und fahren aus Sarajevo hinaus in die Wälder und in die Berge. Es ist eine kleine Gruppe, ich bin nur ein Anhängsel. Die anderen hier arbeiten alle für den Umweltschutz, bei NGOs oder als Selbständige, in Polen, Rumänien, Wien, Brüssel und Vorort. Die meisten sind jung, exzellent ausgebildet und alle haben eine Mission: Die Zerstörung dieser herrlichen Gegend durch Wasserkraftwerke zu verhindern, wo das nur möglich ist. Jeder trägt seinen Teil dazu bei. Die Biologen, die Wasserkraftexperten, die Juristinnen. Letztere sind erstmals hier, obwohl sie schon seit Jahren für die Balkanflüsse arbeiten und mit allen Wassern gewaschen sind, wenn es um Abkommen, multinationale Vereinbarungen und andere juristische Konstruktionen geht, die dem Umweltschutz, dem Erhalt der Artenvielfalt und dergleichen mehr dienen. Die Juristerei ist wieder einmal einer der wichtigsten Schlüssel, doch sie ist abhängig von den Informationen, die von den anderen geschürft werden. Gemeinsam bilden sie das Netz, in dem Informationen hin und her laufen wie im Pilzmyzel des Waldbodens.
Ulrich Eichelmann schreitet voran. Der Geschäftsführer von Riverwatch, einer NGO mit Sitz in Wien, koordiniert seit fast zehn Jahren die Kampagne "Rettet das Blaue Herz Europas". Er hat nicht nur die längsten Beine von allen, er hat auch die Leute hier zusammengetrommelt. Wieder einmal. Er ist der Kopf der Partie. Schnell, effizient und der Meinung, auch die so wichtigen Rechtsexperten sollten gelegentlich von ihren Paragraphen aufblicken und das betrachten dürfen, worum es eigentlich geht: Großartige Flusslandschaften, Schluchten, Klammen, türkise Wasser, ein natürlicher Reichtum, den man sich hierzulande gar nicht mehr vorstellen kann. Nicht zuletzt will er sie auch mit den Leuten zusammenbringen, die hier mit und an den Flüssen leben und um deren Erhalt kämpfen.
Der Balkan ist tatsächlich eines der allerletzten Paradiese, wenn es um frei fließende Flüsse geht, und dank Riverwatch und der Blue-Heart-Bewegung wurde das mittlerweile auch im Rest Europas mit großer Aufmerksamkeit registriert. Gut so, denn auf insgesamt 80.000 Kilometer Länge leiten die Balkanflüsse ihre glasklaren Wasser durch Landschaften Richtung Meer, und die sind so schön und an biologischer Vielfalt reich, dass es einem den Atem raubt. Ein Drittel aller Gewässer ist vollkommen unberührt und ursprünglich wie vor tausenden Jahren, weitere 50 Prozent befinden sich in gutem ökologischem Zustand. Davon kann der Rest Europa nicht einmal mehr träumen.
Wir kennen solche Flüsse nicht mehr, denn bis auf winzige Reste wurden sie allesamt gezähmt, verbaut, aufgestaut und vernichtet. Etwa eine Million Staudämme, 5000 davon Riesenprojekte mit Höhen von bis zu 40 Meter, die meisten davon in den Jahren zwischen 1900 und 1970 errichtet, haben dafür gesorgt. In Österreich beispielsweise sind weniger als sechs Prozent aller Flussläufe noch unberührt. Für Investoren und Bauunternehmen ist hier wie auch anderswo in Europa nichts mehr zu holen, die Weiden sind abgegrast, alles, was verbaut werden konnte, ist längst verbaut. Deshalb erstrecken sich die Begehrlichkeiten nun auf den bisher verschont gebliebenen Balkan, wo Lokalpolitiker und internationale Konzerne unheilvolle Allianzen schmieden, zunächst unbehelligt, doch zusehens unter heftiger werdendem Gegenwind.
Die Angelegenheit hört sich kompliziert an, ist im Grunde genommen jedoch sehr einfach und durchschaubar: Der Balkan ist eine politisch instabile Region, in der sich Unternehmen und Investoren aus dem Ausland so gut wie unbehindert austoben könnten. Drei Spieler treiben den Teufelskreis an. Die Wasserkraftlobby, große Bauunternehmen, sowie der internationale Finanzmarkt, mit dabei, wie neben anderen die NGO Bankwatch dokumentierte, beispielsweise die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die Europäische Investitionsbank, sowie die Weltbank. Die Lokalpolitik steht mittendrin und reibt sich die Hände. Bei derartigen Projekten muss man es mit der Abrechnung nicht so genau nehmen, und viel Geld fließt in so ein Projekt und ergießt sich in mach geheimen Nebenarm.
Was soll denn gegen Wasserkraft sprechen?
Dabei sind die meisten Balkanländer Nettoexporteure von Energie, und der Strom ist bekanntlich als Handelsgut zu betrachten. Länder wie Deutschland und Österreich mischen hier rege mit und investieren, wie beispielsweise die Kelag, in diese Kraftwerke, denn die Fahne der vermeintlich erneuerbaren Energien steckt man sich in der EU recht gerne an den Hut. Dabei hat selbst die UNO große Staudammprojekte mittlerweile für "unsustainable" erklärt, also für nicht nachhaltig.
Was, und diese Frage ist stets die erste, die gestellt wird, und so gut wie immer schwingt eine Art empörte Beleidigung mit, soll denn gegen Wasserkraft sprechen? Hat man uns doch seit jeher eingebläut, dass die gut ist. Wasserkraftwerke, so die gängige Annahme, liefern erneuerbare Energie und damit gewissermaßen anständigen, geradezu grünen Strom. Irgend etwas muss uns ja recht sein, wird gemurrt, irgendwo muss er ja herkommen, der Strom. Die armen Leute vom Balkan, auch die werden ja wohl auch endlich am Fortschritt teilhaben dürfen. Wirtschaftlicher Aufschwung und so weiter. Ab hier wird es sehr kompliziert.
Tatsächlich, sagt Ulrich Eichelmann, ist die Wasserkraft eine der schlimmsten Ressourcen für die Natur überhaupt: "Keine andere sogenannte "grüne" Energiequelle zerstört die Natur in einer derartigen Dimension." Oberhalb des Damms wird das Tal oder die Schlucht geflutet und zum Stausee, unterhalb trocknet die Landschaft aus oder es wird jeden Tag ein Schwall, ein künstliches Hochwasser abgelassen. Das gesamte Ökosystem wird empfindlich gestört. Dazu kommt, dass für die Errichtung einer Anlage richtig breite Straßen gebaut, Leitungen verlegt und somit brutale Schneisen durch vormals unberührte Wälder geschlagen werden müssen, was im Übrigen auch die Holzwirtschaft begrüßt, weil es letztlich immer nur um Profit und Geschäft geht und nie um die Leute, die hier leben. Die werden nicht einmal gefragt, ob es ihnen gefällt, wenn ihr Gemüsegarten demnächst zwanzig Meter unter Wasser liegt.
Wenn hierzulande, in unserem ach so grünen Land am Strome, die Flussläufe von einer Staustufe nach der anderen geprägt sind, kann man sich das gar nicht mehr vorstellen, und es scheint auch fast schon egal zu sein. Hin ist hin, da nützen auch Fischtreppen und andere Überbrückungen herzlich wenig. Doch sperrt man - sozusagen als Gedankenexperiment - beispielsweise das niederösterreichische Höllental mittels eines Damms ab und flutet damit die Schwarza, wird die Sache möglicherweise anschaulicher. Genau das soll gerade auf dem gesamten Balkan passieren. Ein Fluss nach dem anderen soll verbaut, gestaut, vernichtet werden. An so gut wie jedem Fluss sind mehrere Kraftwerke in Planung. Insgesamt gibt es zwischen Slowenien und Griechenland Pläne für rund 3500 Wasserkraftwerke, praktisch jeder Bach und jedes Gewässer ist bedroht.
Das Aufstauen ist jedoch nicht nur ein optisches, gewissermaßen romantisches Problem, sondern vielmehr eine Frage von Leben und Tod. Jedes Tier, das in diesem Fluss lebt, jede Pflanze, die hier wächst, ist davon massiv beeinträchtigt. Die Wurzeln der Bäume erreichen das Grundwasser nicht mehr. Die Wasserqualität verändert sich. Fische verlieren ihre Laichgründe. Eine Vielzahl kleiner Habitate wird mit einem Schlag vernichtet. Die noch winzige Fischbrut wird weggeschwappt, und deshalb ist der Huchen der Trumpf, den die Umweltschützer im Falle dieses Flusses im Talon haben.
Wir parken uns in einer verlassenen Gegend ein und wandern über Waldwege ein gutes Stück in die Wildnis hinein. Auf dem feuchten Boden ist vor nicht allzu langer Zeit ein Bär seiner Wege gegangen, er hat ein paar Tatzenabdrücke und halbverdaute Kornelkirschenhäufchen hinterlassen. Ein junger Bär, sagen die Biologen, höchstens 60 Kilo. Im Gegensatz zu mir sind sie nicht beeindruckt. Wir kriechen schließlich durch das Unterholz hinunter zum Flussufer der Drina, die Wagemutigen hanteln sich auf einer verfallenen Eisenbahnbrücke vor, die nur noch aus morschen Planken und Stahltraversen besteht. Ich kann nicht schätzen, wie viele Meter es hier runtergeht, aber es sind viele. Man hört nichts. Nur Wasser, das an Felsen klatscht, die Luft, die Vögel. Kein Haus weit und breit. Ruhe. Stille. Insektengesumme. Paradies.
"Wir wissen, was ihr vorhabt"
Auch an diesem Fluss sind mehrere Kraftwerke geplant, mitsamt Staustufen und allem, was dazugehört. Noch ist nichts davon zu sehen, noch fließt das Wasser frei und ungezähmt, noch schwimmt darin der Huchen, auch Donaulachs genannt, eine vom Aussterben bedrohte Majestät, die bis zu 150 Zentimeter lang werden kann, wenn man ihr das gestattet. Andernorts versucht man verzweifelt, den Huchen wieder anzusiedeln, in der kraftwerkverbauten steirischen Mur beispielsweise. Fast chancenlos.
Nach einer Weile klettern wir wieder hinauf auf den Waldweg, wandern zurück und werden noch vor dem Parkplatz von der Polizei erwartet. Der gesamte Wald, der Fluss, die Gegend ist gesperrt. Kein Zutritt, wir haben das Gesetz übertreten und werden in die nächstgelegene Stadt eskortiert. Wer ein winziges Grüppchen Umweltschützer in dieser Wildnis so schnell ausmachen kann, ist recht gut vorbereitet und hat zudem offensichtlich die Staatsmacht hinter sich. Wir landen jedenfalls auf der Polizeistation, die Bosnier unter uns verstummen, sie sagen, versteckt die Kameras, sonst nehmen sie euch alles weg. Wir wissen, sagt einer der Polizisten, was ihr vorhabt. Nach mehreren Abmahnungen und zwei Stunden dürfen wir wieder gehen. Die an härtere Aktionen gewöhnten Aktivisten bleiben unbefangen, doch die Juristinnen sind ab nun deutlich schaumgebremst.
Es gibt Studien, die besagen, dass man etwa ganz Albanien mit Energie versorgen könnte, wäre ein Viertel aller Dächer im sonnigen Tirana mit Photovoltaik ausgestattet. Die 38 derzeit allein an der albanischen Vjosa samt ihren Zuflüssen geplanten Kraftwerke und die 500 weiteren, fesch über das gesamte Land verstreut, dienten dann, überspitzt formuliert, eigentlich nur dazu, unser Gewissen zu erleichtern, weil wir mit vermeintlich grünem Strom unsere klimawandelbedingt überhitzten Wohnungen kühlen, unsere E-Mobilität vorantreiben und die nächsten Schneekanonen betreiben können. Über all das lässt sich rechnen, streiten und diskutieren, nicht aber über die grundlegende Frage, die Ulrich Eichelmann immer wieder stellt: Ist es wirklich so, dass alles, auch noch das letzte Schöne, Ursprüngliche zerstört werden muss?
Die albanische Vjosa beispielsweise ist eine Majestät von Fluss, mit zahllosen Seitenarmen, Tierarten, die anderswo längst verschwunden sind, und einer biologischen Vielfalt, die dank Riverwatch, der deutschen NGO EuroNatur und der Blue-Heart-Bewegung international Aufmerksamkeit erregt und Erstaunen auslöst. Dieser Fluss ist der eigentliche König Albaniens. Noch fließt er ungehindert aus den Bergen Griechenlands kommend bis in die Adria. Albaniens Ministerpräsident Edi Rama hätte es in der Hand, die Vjosa zum ersten europäischen Flussnationalpark zu erklären. Sanfter Ökotourismus inklusive. Er schwankt noch. Hoffentlich nicht mehr lang. Schon jetzt kommen Leute aus der ganzen Welt, um die Vjosa zu bestaunen, ganz einfach weil es solche Flüsse kaum mehr irgendwo gibt. Wenn hier die Bagger anrollen, könnte es ziemlich ungemütlich werden für alle Beteiligten.
Um diese internationale Aufmerksamkeit geht es unter anderem, um Verbündete. Ulrich Eichelmann ist ein exzellenter Stratege, der die Leute zusammenbringt, die wirklich etwas verändern können. Künstler sind genauso mit von der Partie wie Ökologen und Fachleute anderer Gebiete. Gemeinsam mit vielen mutigen Leuten, die in der nicht gerade zimperlichen Region ihre Köpfe hinhalten und sich buchstäblich in Lebensgefahr begeben, hat er es geschafft, das "Blaue Herz" mittlerweile zu einer der größten Umweltbewegung Europas zu machen. Einer der wichtigsten Effekte bestand darin, dass sich die Leute zu verbünden begannen - die NGOs, die Ökologen und die Wissenschaftler sowieso, aber auch die direkt Betroffenen auf lokaler Ebene bekamen aktiv Unterstützung. Die Menschen, die an den Flüssen leben, oft in sehr abgeschiedenen Regionen, hatten plötzlich eine ziemlich laute gemeinsame Stimme. Denn verzweifelte Aktionen gegen Kraftwerksprojekte hatte es zuvor bereits gegeben, doch die waren lokal geblieben. Jetzt entstand eine breite Bewegung aus den vielen Einzelkämpfern und Einzelkämpferinnen.
Zwei junge Luchse bewirken einen Baustopp
Riverwatch und die Blue-Heart-Organisation unterstützen sie dabei mit juristischem Know-how, tragen Informationen zusammen, reichen Klagen ein und haben zwischenzeitlich zumindest 50 Kraftwerksprojekte zu Fall gebracht. Der Widerstand gegen die Zerstörung der Landschaft ist zu einer internationalen Bewegung gewachsen, die auch auf EU-Ebene in aller Munde ist. Jeder, dem die Flüsse ein Anliegen sind, trägt dazu bei, und mitunter spielt auch der Zufall eine tragende Rolle.
So sind, nur ein Beispiel, im mazedonischen Mavrovo Nationalpark 19 Dämme geplant, und wahrscheinlich wären die Bagger längst aufgefahren, hätte nicht ein Mann namens Panajot Chorovski eine schicksalhafte Begegnung gehabt und unverzüglich die richtigen Leute informiert. Denn in diesen abgeschiedenen Wäldern lebt neben Bären und Wölfen ein geheimnisvolles Tier, dem die Einheimischen übernatürliche Kräfte zuschreiben wie einer Berghexe: Der Balkan-Luchs ist so scheu und so selten, dass wenige je mit Glück einen Pfotenabdruck zu Gesicht bekommen, das Tier selbst jedoch so gut wie nie. Auf nur noch etwa 50 Exemplare, schätzt man, beläuft sich der Bestand. Doch Chorovski hatte Glück und begegnete auf einer seiner einsamen Wanderungen zwei Luchsjungen, und er fotografierte sie.
Die Fotos waren eine Sensation und ausschlaggebend dafür, dass die Projekte gestoppt werden konnten. Gemeinsam mit der Mazedonischen Ökologischen Gesellschaft wurde eine Beschwerde bei der Berner Übereinkunft zum Schutz natürlicher Lebensräume und biologischer Vielfalt eingereicht. Es folgte ein zähes juristisches Ringen, doch sechs Jahre nach der Begegnung von Jäger und Luchswelpen mussten die Weltbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung die Finanzierung der Kraftwerksprojekte zurückziehen, was dem seltenen Geschöpf zumindest eine Verschnaufpause gönnt, denn die Regierung sucht nun an anderer Stelle nach Geldern für die Vorhaben.
Statt "Guten Morgen" sagt man hier "Kein Damm"!
Noch ein Beispiel: 2017 verbündeten sich die Bürger der Gemeinde Kruscica in Bosnien Herzegowina, um zwei Kraftwerke an ihrem Fluss, der Kru??ica, zu verhindern. Sie sperrten einen Brückenübergang und hinderten die Bagger an der Überfahrt. Sie saßen letztlich über 500 Tage und Nächte da, bei Regen, Sturm und Schnee. 1500 Leute beteiligten sich, hielten im Schichtbetrieb die Stellung, bauten eine Hütte, um sich zwischendurch aufwärmen zu können, stellten sich vor die heranrollenden Maschinen. Als die Leute die Nachricht erreichte, dass Spezialeinheiten anrücken würden, um den Übergang endgültig zu räumen, schickten die Frauen ihre Männer nach Hause. Sie waren der irrigen Annahme, die Staatsmacht könne zwar Männer verprügeln, würde sich aber doch wohl nicht an ihnen vergreifen. Falsch. Die mutigen Frauen von Kruscica wurden an den Haaren weggezerrt, Arme wurden gebrochen, doch der Einsatz lohnte sich, es gelang tatsächlich, das Kraftwerksprojekt zu Fall zu bringen.
Es gibt Orte auf dem Balkan, da sagen die Leute nicht mehr "Guten Morgen", wenn sie einander begegnen, sondern heben die Faust und rufen "Kein Damm!". Warum, fragen sie, sollen wir solch ein Wunder wie unseren Fluss für die Launen irgendwelcher Oligarchen aufgeben? Die Magnaten, sagen sie, hätten außer den natürlichen Ressourcen nichts mehr auszubeuten, außer den Wäldern, dem Wasser, aber wir leben seit tausend Jahren hier oder noch länger, der Fluss gehört zu unserer Geschichte. Nur über unsere Leichen, verkünden sie, das ist unser Motto. Denn den Investoren geht es nicht um den Klimawandel, es geht nur um den Profit.
Wir rumpeln mit unserem Kleinbus in die abgelegensten Gegenden Bosniens und waten durch Bäche, in denen unter jedem Stein, den man aufhebt, mindestens ein Flusskrebs sitzt. Massenhaft Forellen. Diese lokale Art findet man überhaupt nur hier, so wie es 69 weitere Fischarten gibt, die einzig und allein auf dem Balkan existieren. Wir klettern auf Felsen und an Warnschildern mit chinesischen Schriftzeichen vorbei und schauen in eine Schlucht hinunter, in der fernöstliche Arbeiter gerade einen Riesendamm hochziehen. Andere würden spätestens jetzt das Handtuch werfen, doch Ulrich Eichelmann meint, auch hier wäre noch nicht aller Tage Abend, und man werde auch dieses Projekt weiterhin zu verhindern versuchen.
Vor vielen Jahren sind wir in Hainburg gesessen und haben sehr gefroren. Wir waren viele, und nur deshalb befindet sich jetzt dort, wo eine Staustufe geplant war, ein Nationalpark. Gerade sitzen wieder Leute rund um die Uhr in der Kälte, diesmal in der Wiener Lobau. Seid gegrüßt und bedankt. Eine nächste Generation hält Wache, der Ausgang ist ungewiss, aber das darf kein Hinderungsgrund sein, für das einzustehen, was man für richtig und wichtig hält. Immer wieder. Tatsächlich ist "Das Blaue Herz Europas" eine Bewegung, die nicht nur den Flussmenschen des Balkan Mut macht. Sie beweist, dass man tatsächlich etwas bewegen kann, dass der sprichwörtliche David, wenn er wendig ist und klug und wach bleibt, den übermächtigen Goliath durchaus zur Strecke bringen kann.