Wenn ich in ein frisch überzogenes Bett steige und einen bestimmten Waschmittelgeruch rieche, falle ich wie durch ein Mauseloch in die Vergangenheit. Dort liege ich unter einer voluminösen Tuchent, bis zur Nase eingemummelt wie ein kleines Tier. In der Dachkammer ist es kalt. Es gibt lindgrün gestrichene Wände mit silbrig draufgewalzten Mustern, aber keine Heizung. In der Früh kann man den Atem sehen, und in eisigen Nächten bilden sich bis zum Morgen Reifkristalle auf der duftenden Tuchent. Solange man darunterbleibt, spielt das keine Rolle, das Federbett ist mollig warm und wahrscheinlich schwerer als ich.
Gleich nebenan tut sich hinter einer verzogenen Blechtüre die Höhle des Dachbodens auf. Spinnweben in unerreichbaren Balkenhöhen, staubige Labyrinthe aus Bilderrahmen, alten Fenstern, Dachziegeln. Eine geteerte Truhe wie aus der „Schatzinsel“, unversperrt und ohne Gold, dafür gefüllt mit Malerwalzen, Schablonen und steinhart gewordenen Pinseln. Es gibt auch freie Flächen, und auf einer ist ein großes Stück Linoleum aufgebreitet – für die im Herbst aufgeklaubten Nüsse. Die sollen dort trocknen, und beim Einschlafen hören wir sie klackern und rollen, wenn die Mäuse damit spielen und daran naschen.

Immer sind überall Mäuse, vor allem ab Herbst. In der Wohnung sind die Mäuse die Gelsen des Winters, und alte Häuser sind ihre Winterpaläste. Über ungezählte Mausgenerationen hinweg haben sie dort Zeit gehabt, Löcher in Lamperien und Fußbodenleisten zu nagen, Mauern zu durchhöhlen und die Zwischendecken zu erobern. Wenn die Großmutter am Abend unten in der Stube neben dem Meller über dem Häkelzeug einschläft, sind wir sehr leise, um sie nicht aufzuwecken. So lange sie eingenickt ist, werden wir nicht ins Bett geschickt, und unweigerlich beginnt es irgendwann, irgendwo zu rascheln, zu trippeln und schon huscht eine Maus die Wand entlang.
Mäusegeschichten in alten Häusern
Bei den Erwachsenen sind sie nicht sonderlich beliebt, manche, wie die dicke, ansonsten wenig behände Urgroßtante, springen auf die Polstermöbel, wenn eine von ihnen auftaucht. Für uns völlig unverständlich. Wir fangen sie auf der Wiese mit bloßen Händen, sie beißen zwar, und manchmal bleibt eine am Finger hängen, aber nie lang. Wir setzen sie für eine Weile in ein ausgedientes, mit Erde gefülltes Aquarium und betrachten die Gänge, die die armen Gefangenen graben, bevor sie wieder ausgelassen werden.
Wer auf dem Land und in einem alten Haus lebt, kann unzählige Mäusegeschichten erzählen. Zum Beispiel, dass in einem Hendlstall niemals eine Maus überlebt, weil Hühner die Nachfahren der Raptoren und gute Jäger sind. Oder dass es Mäuse gibt, die aus unerfindlichen Gründen niemals in die Falle gehen, so wie der Mausbär, mit dem ich drei Monate lang zusammenlebte, trotz eines Dutzends Fallen, die er alle mied, dafür aber das Sofa zernagte und vernichtete, bis ich ihm endlich auflauern und ihn einfangen konnte. Mit einem Tuch und beherzter Schnelligkeit geht das übrigens am besten. Mit dieser Technik kann man auch angeben, wenn man wo zu Gast ist und Mäuserascheln hört. Seid still, gebt mir ein Tuch und ein bisschen Zeit und die Sache wird erledigt.
Erst letzten Herbst fing ich die hübscheste Maus meiner Mäusefangkarriere. Sie war winzig und entzückend, nicht grau wie die Hausmaus, sondern haselnussbraun, das Bäuchlein schneeweiß. Letzteres deutet darauf hin, dass es sich um eine Zwergmaus gehandelt haben könnte, oder um eine noch nicht ausgewachsene Gelbhalsmaus, so winzig wie sie war. Sie ließ sich auch leicht fangen und hinaustragen in die Wildnis.