Wenn man Frank Gehry fragte, warum er Architekt geworden sei, sagte er: „Ich habe geglaubt, das wäre ein Weg, um die Welt zu retten. Wenn du jung bist, glaubst du an solche Dinge. Ich war entzückt darüber, wie mich Gebäude beeindrucken konnten. Ich hoffte, Häuser zu bauen, die Leute glücklich machen können.“ Vergangenen Freitag starb der Architekt 96-jährig in seinem Wohnhaus in Los Angeles, und er verließ diese Welt nicht, ohne seine jugendliche Ambition verwirklicht zu haben. Gehrys Architekturen sind unverkennbar, und sie haben viele Menschen nicht nur beeindruckt, sondern auch – zumindest für eine Weile – glücklich gemacht.
Gehry kam 1929 als Frank Owen Goldberg in Kanada als Sohn jüdisch-polnischer Einwanderer zur Welt. Ab 1947 lebte er in Los Angeles, ging diversen Jobs nach, arbeitete als Lastwagenfahrer, war eine Weile in der Army, studierte dieses und jenes, landete schließlich bei der Architektur. Bereits an seinen ersten Fingerübungen ließ sich ablesen, dass hier eine eigenwillige Persönlichkeit am Werk war, die den gewohnten Kanon der Architektur mit unverschämter Lässigkeit zerlegte und zu etwas völlig Neuem zusammensetzte.
Als Jugendlicher hatte er gern im Haushalt- und Eisenwarenladen seines Großvaters herumgekramt, verschiedenste Materialien erkundet und zu kleinen Skulpturen, Gebäuden, Stadtlandschaften zusammen gesetzt. Diese spielerische Leichtigkeit des Zerlegens und Assemblierens übertrug er von Beginn an in seine Architektur. Sein eigenes Haus in Santa Monica steht exemplarisch dafür. Er erweiterte das bestehende Kolonialgebäude ab 1977 mehrfach, indem er es mit einem wilden Material- und Formenmix um-wucherte, die Substanz da und dort öffnete, doch insgesamt als Kern bestehen ließ.
Ähnlich verfuhr er ein paar Jahre später auf einem winzigen Bauplatz direkt an der Strandpromenade von Venice. Für ein Künstlerpaar entwarf er 1984 eine auf den ersten Blick absurde, in sich jedoch logische Collage aus Kubaturen auf drei Ebenen und realisierte das Projekt in einem Mix aus Beton, Holz, Stahl und farbenfrohen Fliesen. Zentrales Element war ein kleiner Studio-Kubus, der auf Stelzen zu schweben schien und aus drei großen Fenster-öffnungen auf den Ozean blickte. Damals ging ein Foto durch die Architekturwelt, darauf drei Surfer, die von diesem Kubus aus die Qualität der Wellen prüften. Lässigeres hatte man selten zuvor gesehen.
Als Philip Johnson – Hexenmeister und Königsmacher der amerikanischen Architekturszene – 1988 der neuen dekonstruktivistischen
Architektur mit einer Ausstellung im New Yorker MoMa einen Namen gab, war Frank Gehry neben Zaha Hadid, Bernard Tschumi, Coop Himmelblau u.a. mit dabei, damals mit 59 Jahren der Älteste unter den jungen, noch weitgehend unbekannten Wilden. Schon ein Jahr später bekam er mit dem Pritzker Preis die begehrteste Auszeichnung der Architekturwelt zugesprochen. Andere mögen in diesem Alter der Pensionierung entgegenblicken, Gehrys Aufstieg zu einem der prägendsten Architekten seiner Zeit hatte gerade erst begonnen.
Die Gebäude des 20. Jahrhunderts empfand er „bis auf ein paar Ausnahmen, wie etwa Arbeiten von Le Corbusier, in ihrer technischen Konstruktion als sehr kalt. Sie haben kein Gefühl. Meine Formen kommen aus der Natur, doch ich habe das nicht absichtlich gemacht, das geschah eher intuitiv.“ Seine Großmutter, erinnerte er sich, pflegte Karpfen in der Badewanne schwimmen zu lassen, und die studierte er, bis sie abends zu Gefilte Fish wurden. Die glänzenden Schuppen, die Eleganz von Stromlinien und Wellen nahm er in seinem Guggenheim Museum in Bilbao auf, und mit diesem meisterlich in die raue Fluss-, Fels und Industrielandschaft der Stadt gesetzten Gebäude wurde er endgültig weltberühmt.
Es folgten Aufträge ohne Ende, Gehrys Oeuvre umfasst über 70 Projekte, darunter Wahrzeichen wie das Vitra Design Museum in Weil am Rhein (1989), das als Ginger & Fred bekannte tanzende Haus in Prag (1996), die Disney Concert Hall in Los Angeles (2003), die feenhaft fein strukturierte Fondation Louis Vuitton in Paris (2014) und zahllose weitere ikonische Gebäude. Als er 2011 in New York den mit 265 Metern höchsten Wohnkomplex der USA eröffnete, lieferte er sich mit Donald Trump ein Scharmützel, weil sich der verärgert darüber zeigte, dass das Gebäude seinen Trump World Tower um 30 Zentimeter überragte. Zuvor hatte Gehry eine Zusammenarbeit mit Trump abgelehnt. Warum? „Ich mag seine Frisur nicht.“ Dafür entwarf er pro bono öffentliche Gebäude, etwa für das Children’s Institute in Watts, L.A.
„Wenn du Architekt werden willst, wenn du dich dafür entscheidest, einzig zu sein und deinen Talenten nachzugehen, wenn du den Weg einschlägst, den ich gewählt habe, dann wählst du die schwierige Variante. Nur wenige kommen durch. Du wirst hart arbeiten, und du wirst nicht reich werden. Und du brauchst Zeit. Du wählst ein Leben, in dem die Leute erst bemerken und honorieren, was du machst, wenn du bereits in deinen 60ern bist.“
Bis zuletzt war er aktiv, drei letzte Gebäude des Ausnahme-Architekten sind derzeit noch in Bau.