Manch einer erinnert sich mit Schaudern an die Kürbisgerichte vergangener Zeiten. Von diversen Sorten war damals noch so gut wie keine Rede, der Kürbis war in unseren Breiten die längste Zeit einfach ein Kürbis und galt eher als Speise minderer Qualität. Dazu hatte auch beigetragen, dass er als spendable Feldfrucht jahrhundertelang zumal dem Vieh vorgesetzt wurde, allen voran den Schweinen. Kam er dann doch gelegentlich auf den Tisch, servierte man ihn zumeist geraspelt und zu einer Art Brei zerkocht, im schlimmsten Fall eingebrannt, und diese Speise als kulinarisches Trauerspiel zu bezeichnen wäre eine Untertreibung. Man aß sie pflichtbewusst, und oft merkte der eine und andere verdrießlich an, dass ein Kürbis eigentlich nur dann genießbar wäre, wenn er den Weg durch die Sau zurückgelegt und den Braten saftig gemacht habe.
Diese Zeiten sind vorbei, doch erst seit zwei, drei Jahrzehnten. Der Kürbis ist in den vergangenen Jahren langsam und beständig auch bei uns zu einem der Stars der herbstlichen und winterlichen Küche aufgestiegen, und einmal mehr ist sein später Erfolg einer gesteigerten Aufmerksamkeit und auch Verfügbarkeit größerer Sortenvielfalt zuzuschreiben. Mittlerweile kennt wohl jeder sowohl den optischen als auch geschmacklichen Unterschied zwischen Butternut und Hokkaido, den mit Abstand gängigsten Kürbissorten in den Gemüseabteilungen. Auch die großformatige Muscade ist dort gelegentlich zu finden, sie ist der dritte beliebte Speisekürbis im Bunde. Alles gute, erprobte Sorten, die man braten, rösten, zu Suppen verarbeiten kann. Doch es gibt noch hunderte mehr zu entdecken. Wir stehen erst am Beginn einer Reise, die Gemüsezüchter und Köche anderer Weltgegenden längst unternommen haben.

Dabei ist die Geschichte des Kürbis eine uralte. Die ersten Kürbissamen kamen erst mit den Entdeckern der Neuen Welt über den Atlantik nach Europa gereist und erreichten mit den Portugiesen schließlich auch Asien. Die Kulturen Mittel- und Südamerikas hingegen hatten dem Kürbis bereits an die 10.000 Jahre lang gehuldigt und aus diversen wilden, bitter schmeckenden Arten ein vielfältiges Grundnahrungsmittel gezüchtet. Die Kulturgeschichte des Kürbis ist tatsächlich noch älter als die des Mais und der Gartenbohne. In der Hoch-Zeit der mesoamerikanischen Gemüsekultur bildeten diese drei ein bewährtes Gespann. Der Mais gab mit seinem kräftigen Stamm die Stütze, an der sich die Bohnenpflanze Richtung Licht schlingen konnte. Der Kürbis wuchs den beiden zu Füßen und beschattete mit seinen ausladenden Blättern den Boden und hielt ich feucht. Seine Früchte, die botanisch betrachtet große Beeren sind, konnten für den Winter gelagert werden. Das Fruchtfleisch wurde zudem auch getrocknet, frische Kürbisse gebraten, gekocht und vielfältig zubereitet.
Bereits damals entstanden in den unterschiedlichen Regionen von Mexiko bis nach Peru die fünf Kürbis-Arten, die man heute unterscheidet, und die da wären: Garten-Kürbis, Moschus-Kürbis, Riesen-Kürbis, Feigenblatt-Kürbis und Cucurbita argyrosperma. Die beiden Letztgenannten spielen in der Küche eine untergeordnete Rolle, und der Riesen-Kürbis tritt vor allem als Gigant in traditionellen Kürbis-Wettbewerben in Erscheinung. Den derzeitigen Gewichtsrekord hält mit 1247 Kilogramm übrigens ein Züchter aus Kalifornien. Doch die Welt der Kürbisse ist noch ein bisschen komplizierter, denn man unterscheidet auch noch Sommer- und Winterkürbisse. Die einen werden früh, mitunter schon im Juli geerntet und frisch gegessen, dazu gehören etwa Zucchini und die UFO-artigen Patissons. Die anderen brauchen bis in den Herbst, um auszureifen. Der Ordnung halber sei noch erwähnt, dass China mit großem Abstand Hauptproduzent des weltweiten Kürbishandels ist, abgeschlagen gefolgt von der Ukraine, Russland und den Vereinigten Staaten.
Interessanter als die Statistiken sind jedoch die vielen lokalen Sorten, die zwischenzeitlich auf der ganzen Welt in unterschiedlichen Regionen entstanden und einen schier unüberschaubaren Schatz an Formen, Größen, Farben und nicht zuletzt Geschmäckern bieten. Ein anschauliches Beispiel für die verwirrende Vielfalt ist etwa der beliebte Hokkaido-Kürbis. Er entstand ab dem späten 19. Jahrhundert in Japan durch die Kreuzung lokaler Sorten mit dem amerikanischen Hubbard-Kürbis. Nach langer Auslese kam 1933 schließlich der Uchiki kuri auf den Markt, und da er aus Hokkaido stammte, wurde er, in Europa angekommen, kurzerhand nach der zweitgrößten Insel Japans benannt. Tatsächlich ist der Begriff Hokkaido-Kürbis als Sorte jedoch irreführend. Er bezeichnet vielmehr eine Gruppe, oder fachlich präziser ausgedrückt eine Linie verschiedener ähnlicher Sorten, von denen die knallorange, die erst seit den 1990er-Jahren auch in Europa kommerziell angebaut wird, nur eine Spielart ist. Die feineren und geschmacklich vorzuziehenden „Hokkaidos“ sind eindeutig die grün- oder grauschaligen Sorten, die kommen in unseren Breiten jedoch so gut wie nie auf den Markt.

Wer einen Garten hat und dort einen Komposthaufen pflegt, hat bessere Chancen, die Kürbisvielfalt durchzukosten. Denn die Samen der diversen Spezialitäten lassen sich zwischenzeitlich recht einfach auftreiben, und das Ziehen von ein paar Kürbispflanzen bringt bei guten Witterungsbedingungen reiche Ernte bei wenig Aufwand. Die Kürbispflanze ist ein Starkzehrer, das heißt, sie braucht einen satten nährstoffreichen Boden und ausreichend Wasser für ihre Entwicklung. Der Kompost bietet die ideale Grundlage, der Kürbis bedankt sich dafür mit der Beschattung durch seine großen Blätter. Was er nicht verträgt, ist Kälte, schon gar keinen Frost, und auch keinen zu nassen Boden, er liebt vielmehr die Wärme.
Aus immerhin geschätzten 800 Kürbissorten kann der gärtnernde Genussmensch wählen. Die Saatgutproduzenten ihrerseits müssen gut auf ihre unternehmungslustigen Zuchtpflanzen aufpassen, damit sich die unterschiedlichen Sorten einer Art nicht munter miteinander verkreuzen. Mindestens 250 Meter, besser noch 300 Meter Abstand zu möglichen unerwünschten Bestäuberpflanzen muss eingehalten werden. Das Team von Krautwerk, Robert Brodnjak und Claudia Detz, können davon ein Lied singen. Die Marktgärtner aus dem Weinviertel, bekannt für ausgefallene Gemüsesorten, haben eine langjährige Veredelungstrecke mit einer ganz bestimmten Kürbissorte zurückgelegt und das Beste daraus hervorgekitzelt. Den Anstoß dazu gaben einerseits die Saatguterhalter des Vereins Arche Noah und die Kochkünstler des Steirereck.
Das erfolgreiche Experiment begann mit einem Studienprojekt über Buttercup-Kürbisse, von denen die Krautwerkler eine Linie als besonders schmackhaft befanden. Pompoen hieß die, und Brodnjak und Detz stellten sie den Köchen des Steirerecks im Rahmen einer Blindverkostung vor. Rund ein Dutzend Pflanzen dieser Sorte hatten sie angebaut, von jeder wurde der schönste Kürbis ausgewählt. Sie bekamen jeweils eine Nummer zugeteilt, wurden einzeln zubereitet und der Reihe nach verkostet. Robert Brodnjak: „Das Spannendste war der Moment, als jeder Koch drankam und seine Geschmacksmeinung zu den einzelnen Nummern sagte.“ Gepriesen wurden etwa die Maroni-Note, der Schmelz, die Buttrigkeit, die leichte, doch nicht dominante Süße, die kompakte Beschafffenheit des Fruchtfleischs, die ein gutes Mundgefühl hinterließ und keinesfalls die alte Gatschigkeit der Kürbisse unserer Kindheit aufwies. „Wäh“, entfährt es auch Robert Brodnjak heute noch, wenn er darauf angesprochen wird.

Abschließend noch ein paar Tipps für Leute, die in ihren Gärten Kürbisse anbauen wollen. Ernten Sie die Winterkürbisse vor dem ersten Frost, aber erst dann, wenn sich der Stiel holzig anfühlt, nicht mehr grün ist und ähnlich wie Kork aussieht. Am besten reift der Kürbis nach der Ernte noch drei, vier Wochen in der Wärme nach, dann hat er die perfekte Konsistenz bei reifem Geschmack. Wer die Ernte danach noch länger lagern will, verfrachtet die Früchte ins Kühle bei etwa zehn Grad. Ist die Schale nicht verletzt, lassen sich Kürbisse auf diese Weise monatelang aufbewahren.
Robert Brodnjak und Claudia Detz achten außerdem darauf, dass neben ihrem Kürbisfeld auch immer Blühstreifen wuchern und die wichtigen Bestäuberinsekten wie Bienen und Hummeln anlocken. Denn wo die fehlen muss von Hand bestäubt werden. Einen allerletzten kulinarischen Tipp gibt es noch: Die männlichen Kürbisblüten – sie unterscheiden sich von den weiblichen durch einen längeren Blütenstiel und den fehlenden Fruchtknoten – können, ebenso wie die bekannten Zucchiniblüten, gefüllt und zu köstlichen kleinen Häppchen verarbeitet werden. Kurzum: Der Kürbis in seinen unzähligen Spielarten ist ein uralter Begleiter der Menschheitsgeschichte und endlich ist er auch bei uns in Würde und Würze angekommen.