
Die Erde ist getränkt, alles wuchert, summt und blüht. Die Ribiseln sind schon reif, die Kirschen färben sich rot, der Gemüsegarten beginnt mit seinen Gaben um sich zu werfen. In Bäumen und Sträuchern zwitschert die Jungvogelschar und demnächst darf man mit den ersten Glühwürmchennächten rechnen. Im Juni trägt die Natur den Kranz ihrer Jugend, so wie Heinrich Heine es beschrieben hat: „Die Blumen glänzten wunderbar, ein Zauber in dem Kranze war.“
Allein – vor dem Sommer darf man sich jetzt schon fürchten. Glaubt man den Prognosen, werden nicht nur wir wieder ordentlich schwitzen, sondern auch der Garten und seine Mitbewohner. Deshalb wurden hier diverse Vorkehrungen getroffen, die vielleicht ein wenig Abhilfe schaffen können. Seit dem frustrierenden Hitze- und Dürresommer vor ein paar Jahren wurden mehrere Bäume gepflanzt, ein Tulpenbaum etwa, ein weiterer zierlicher japanischer Ahorn, ein dunkelblättriger Judasbaum. Und auch in den vormaligen Blumenbeeten befinden sich allerorten strategisch beschattende Ziersträucher, wie robuste Zwergrosen, Zwergflieder, eine rosa Schneebeere und die zierliche Deutzie.
Obwohl die Gehölze noch nicht ihre volle Größe erreicht haben, hat sich das dichte Bepflanzen mit robusteren Gewächsen in den letzten Sommern bereits als recht wirksam erwiesen. Der Garten wächst langsam, aber beständig zu einer Art Wäldchen heran, und das soll mir nur recht sein. Kühlender Schatten, viel Mulch, feuchte Erde darunter.
Die größte Freude allerdings bereitet der kleine Teich, in dem es nach nicht einmal einem Jahr seines Bestehens bereits vor Leben nur so wimmelt. Die Kaulquappen trainieren dieser Tage schon ihre Froschbeinchen, jede Menge Libellen schwirren im Duett über den silbrigen Wasserspiegel, und auch darunter tummeln sie sich in Form ihrer räuberischen Larven. Jede freie Minute verbringe ich am Rande dieses kleinen Paradieses, und neuerdings schleiche ich mich sicherheitshalber an. Denn auf den Seerosenblättern traf ich letztens eine ausgewachsene Ringelnatter. Dort ruhte sie in der Sonne, die schöne Schlange, und weil quer über das Wasser ein Holzsteg führt, konnte ich sie wohlgefällig aus der Nähe betrachten, bis sie mich bemerkte, abtauchte und elegant schlängelnd das Weite suchte.
In meinen Träumen kann ich sie zähmen, meine Krönleinnattern mit den gelben Schläfenflecken, und sie werden so zutraulich wie Heinrich Heines Elfenschar: „Zu meinen Füßen lagerten sie, das Köpfchen gestützt auf meinem Knie.“ Und wenn sie mich fragten, „sag uns, zu welchem Behuf, der liebe Gott den Menschen schuf?“, so würde mir keine Antwort einfallen, nur der Wunsch, die Zeit möge stillstehen und alle Bomben und Granaten und Kriege einfach einfrieren.
In der Sommerwüstenei der jüngeren Vergangenheit hatte ich allerorten unter dem Gebüsch Schalen verteilt und mit Wasser gefüllt, um Igeln, Vögeln und all dem anderen Getier zumindest Erfrischung zu bieten. Der Teich ersetzt diese nun, und in den Flachwasserzonen ragen da und dort Steine hervor, damit die Federflausche dort landen und ordentlich baden können.
Als die Perser die ersten Gärten der Menschheitsgeschichte anlegten, fehlte eines nie: Stehendes oder fließendes Gewässer. Denn ohne Wasser kein Leben. Der persische Garten, von den Griechen „Paradeisos“ genannt, war ein Ort der Glückseligkeit, einer, an dem alle Wohltaten der Natur versammelt sein sollten. Tatsächlich spielte das Wasser in diesen Klein-Paradiesen die tragende Rolle. Nicht nur, um durstige Pflanzen und Bäume zu tränken, sondern auch, um wie ein Spiegel den Raum zu erweitern, um plätschernd eine mystische Geräuschkulisse zu schaffen, um kühlend das Kleinklima angenehm zu gestalten. Wenig Erbaulicheres gibt es, als an Ufer- oder Brunnenrändern zu sitzen und den lebendigen Spiegel des Wassers zu betrachten.
Wer genug Platz hat, legt einen Teich an. Wer räumlich beschränkt ist, kann mit Trögen und Bottichen Miniaturteiche anlegen. Wer technische Spielereien liebt, kann von Pumpen und nach Möglichkeit von Photovoltaik angetrieben, ganze Bachläufe durch seinen Garten rinnen lassen. Auch um Heinrich Heines Finale seiner „Waldeinsamkeit“ zu widersprechen: „Der Bach rauscht trostlos gleich dem Styxe; Am einsamen Ufer sitzt eine Nixe, todblaß und stumm, wie ’n Bild von Stein, scheint tief in Kummer versunken zu sein. Mitleidig tret ich zu ihr heran – da fährt sie auf und schaut mich an, und sie entflieht mit entsetzten Mienen, als sei ihr ein Gespenst erschienen.“ Das darf einfach nicht sein.
